Die Reaktionen auf Afrikas Friedensplan zeigen die Arroganz des Westens

von Thomas Röüer am 17. Juni 2023 auf
https://www.anti-spiegel.ru/2023/die-reaktionen-auf-afrikas-friedensplan-zeigen-die-arroganz-des-westens/


In westlichen Medien spielt der Friedensplan, den die afrikanischen Staaten vorschlagen, keine Rolle. Das zeigt, dass der Westen am Frieden nicht interessiert ist und dass der Westen Afrika geopolitisch immer noch nicht ernst nimmt. Worum geht es in dem afrikanischen Plan?

Dass man im Westen kein Interesse an einem Frieden in der Ukraine hat, zeigte schon die Reaktion auf den chinesischen Friedensplan, der von Politik und Medien im Westen nicht einmal als Grundlage für Gespräche mit Peking angesehen wurde. Noch auffälliger ist die Ablehnung jeder Verhandlungslösung durch den Westen an dem afrikanischen Friedensplan zu erkennen, der in den westlichen Medien praktisch nicht erwähnt und von westlichen Politikern gar nicht erst kommentiert wird.

Das zeigt aber noch etwas anderes: Der Westen akzeptiert die afrikanischen Staaten nicht als Partner auf Augenhöhe. China nimmt man im Westen ernst, weshalb der chinesische Vorschlag zumindest kommentiert wurde, wenn auch ablehnend. Der afrikanische Plan wird vom Westen vollkommen ignoriert, weil der Westen Afrika immer noch von oben herab betrachtet.

Schauen wir uns also den sehr interessanten afrikanischen Friedensplan und die Reaktionen darauf einmal näher an.

 

 

Polens Sabotage


Besonders deutlich wurde die westliche Arroganz, als die Flugzeuge des südafrikanischen Präsidenten in Polen gelandet sind. Als erstes landete am Donnerstagabend das Flugzeug mit südafrikanischen Journalisten und einem Teil der Sicherheitsleute des südafrikanischen Präsidenten. Die polnischen Behörden untersagten ihnen jedoch, das Flugzeug zu verlassen. Ganze 25 Stunden wurden sie in dem Flugzeug festgehalten, weil Polen behauptete, die Leibwächter des südafrikanischen Präsidenten hätten keine Erlaubnis zum Tragen von Waffen dabei.

Das führte dazu, dass der südafrikanische Präsident nur mit einer kleinen Sicherheitsmannschaft und ohne Journalisten nach Kiew reisen konnte, um mit Selensky über den afrikanischen Friedensplan zu sprechen.

Anschließend erlaubten die polnischen Behörden dem zweiten Flugzeug am Samstag auch nicht den Abflug nach Russland, wo die afrikanische Delegation mit Präsident Putin sprechen will.

Die westlichen Medien berichten über den Vorfall praktisch gar nicht, aber außerhalb der westlichen Medienblase macht er Schlagzeilen und man muss kein Hellseher sein, um zu verstehen, wie dieses ungeheuerliche Verhalten des EU- und NATO-Staates Polen außerhalb der westlichen Welt – und vor allem in Afrika – aufgenommen wird. Es zeigt ein weiteres Mal eindrücklich die Arroganz, mit der der Westen auf Afrika blickt, schließlich wäre es undenkbar, dass die polnischen Behörden zum Beispiel ein Begleitflugzeug des britischen Premierministers so behandeln.

Dass dieser diplomatische Skandal, den westliche Medien lieber verschweigen, den Bemühen des Westens, in Afrika Sympathiepunkte zu sammeln, nicht eben helfen wird, versteht sich von selbst, zumal kein westlicher Politiker es für nötig hält, das Verhalten der Polen auch nur zu kommentieren.

Der afrikanische Friedensplan


Kommen wir nun zum Friedensplan der Afrikaner, um den es hier eigentlich gehen soll. Die russische Nachrichtenagentur TASS hat die zehn Punkte des Plans aufgelistet und auch die internationalen Reaktionen zusammengefasst. Der afrikanische Friedensplan beinhaltet folgende Punkte:

    Erreichen des Friedens durch Verhandlungen auf diplomatischem Wege;
    Friedensverhandlungen müssen so bald wie möglich beginnen;
    Deeskalation des Konflikts auf beiden Seiten;
    Gewährleistung der Souveränität der Staaten und Völker im Einklang mit der UN-Charta;
    Sicherheitsgarantien für alle Länder;
    Sicherstellung des Verkehrs von Getreide und Düngemitteln durch beide Länder;
    Humanitäre Unterstützung für die Opfer des Krieges;
    Regelung des Austauschs von Kriegsgefangenen und der Rückkehr von Kindern;
    Wiederaufbau nach dem Krieg und Hilfe für Kriegsopfer;
    Engeres Engagement mit Ländern in Afrika.

Um zu verstehen, was diese Aussagen bedeuten, schauen wir uns die wichtigsten Punkte genauer an. Dann verstehen wir auch, dass der afrikanische Plan sehr von den westlichen Vorstellungen abweicht, was zeigt, wie weit Afrika und der Westen politisch von einander entfernt sind.

 

„Gewährleistung der Souveränität der Staaten und Völker im Einklang mit der UN-Charta“


Der Plan zeigt, dass die Afrikaner keineswegs der westlichen Linie folgen. Sie sprechen von der „Gewährleistung der Souveränität der Staaten und Völker im Einklang mit der UN-Charta“, was etwas ganz anderes ist als die westliche Position, die sich nur auf die Grenzen der Ukraine bezieht.

Die Afrikaner sprechen sich damit für Verhandlungen auch über den Grenzverlauf aus, denn sie erkennen an, dass auch Völker Souveränität haben, was bedeutet, dass die Afrikaner nicht grundsätzlich dagegen sind, dass (ehemals) ukrainische Gebiete an Russland gehen, wenn die dort lebenden Menschen eine Zugehörigkeit zu Russland wünschen. Die Afrikaner suchen also einen Kompromiss zwischen dem Wunsch Kiews, seine alten Grenzen zu behalten und dem Wunsch der Menschen in (ehemaligen) Teilen der Ukraine, zu Russland zu gehören.

„Sicherheitsgarantien für alle Länder“


Auch „Sicherheitsgarantien für alle Länder“ ist keineswegs auf der Linie des Westens, im Gegenteil. Es sei daran erinnert, dass die Eskalation in der Ukraine hätte verhindert werden können, wenn der Westen im Dezember 2021 bereit gewesen wäre, mit Russland über die von Moskau vorgeschlagenen gegenseitigen Sicherheitsgarantien zu verhandeln. Das hat der Westen aber Ende Januar 2022 abgelehnt, womit die Eskalation unvermeidbar geworden ist.

Russland sieht die NATO, die immer mehr Soldaten und schwere Waffen an die russische Grenze schafft, als Gefahr für seine Sicherheit an. Noch mehr gilt das für einen NATO-Beitritt der Ukraine. Indem der Westen das ignoriert und den NATO-Beitritt der Ukraine forciert hat, hat er die Eskalation des Krieges im Donbass unvermeidlich gemacht.

Die Afrikaner sprechen ausdrücklich von „Sicherheitsgarantien für alle Länder“, das schließt die russischen Sicherheitsbedenken eindeutig mit ein. Und es schließt einen NATO-Beitritt der Ukraine faktisch aus.

Im Klartext dürfte das so zu verstehen sein, dass die Afrikaner gegen den NATO-Beitritt der Ukraine sind, um Russlands Sicherheitsinteressen zu respektieren, aber sich auch für internationale Sicherheitsgarantien für die Ukraine aussprechen, sobald die Kampfhandlungen vorbei sind. Sogar eine Beteiligung Afrikas an den Sicherheitsgarantien für die Ukraine sind denkbar, wenn man an den letzten Punkt der afrikanischen Vorschläge denkt: „Engeres Engagement mit Ländern in Afrika“.

Die Afrikaner sind nicht nur gegen den NATO-Beitritt der Ukraine, sie wollen auch in der internationalen Politik eine größere Rolle spielen. Russland dürfte das sogar begrüßen, aber: Das ist keineswegs das, was der Westen möchte.

„Sicherstellung des Verkehrs von Getreide und Düngemitteln durch beide Länder“


Eine echte Spitze gegen den Westen ist der Punkt „Sicherstellung des Verkehrs von Getreide und Düngemitteln durch beide Länder“, denn in Afrika weiß man, dass Kiew den Getreideexport als Druckmittel für mehr Waffenlieferungen genutzt und damit Afrikaner mit Hunger bedroht hat.

Als das Getreideabkommen in Kraft gesetzt wurde, ging das ukrainische Getreide nicht nach Afrika, sondern vorrangig in die EU. Und die im Getreideabkommen geregelte Rücknahme der Sanktionen, die Russlands Export von Getreide und Düngemitteln erschweren, hat der Westen nicht umgesetzt, im Gegenteil.

Dieser Punkt des afrikanischen Friedensplans ist ganz eindeutige Kritik an Kiew und am Westen, aber keineswegs an Russland, denn der russische Präsident hat längst zugesagt, den afrikanischen Abnehmern von russischem Getreide das Getreide notfalls zu schenken, sollte der Westen den Export, also vor allem die Bezahlung, des russischen Getreides weiterhin behindern.

Der Besuch in Kiew


Der ukrainische Präsident Vladimir Selensky sprach sich bei dem Treffen mit der afrikanischen Delegation wenig überraschend gegen ein Einfrieren des Ukraine-Konflikts aus und wiederholte die Forderung nach einem Abzug der russischen Truppen aus den Gebieten, die Kiew als sein Eigentum betrachtet.

Selensky ging aber noch weiter und sagte auch, dass er die Logik der afrikanischen Staats- und Regierungschefs, die Russland zu Gesprächen besuchen wollen, nicht verstehe. Das wird man in Afrika, wo man sich im Ukraine-Konflikt neutral verhält, nicht gerne gehört haben, denn die Afrikaner lassen sich nur ungern vorschreiben, mit wem sie sprechen sollen und mit wem nicht.

Die Nicht-Reaktion des Westens


Die westlichen Länder haben sich noch immer nicht zum afrikanischen Plan geäußert, aber sie haben sich bereits früher zu einer afrikanischen Friedensinitiative geäußert. Das waren allerdings nur die üblichen Phrasen, wenn beispielsweise der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius meinte, er begrüße „jede vernünftige Friedensinitiative“, deren Ziel die rasche Herstellung des Friedens in der Ukraine sei, doch müsse Kiew die Bedingungen für die Aufnahme von Verhandlungen formulieren.

Die Afrikaner wissen natürlich, dass Kiew von den USA gesteuert wird, weshalb solche Erklärungen bestenfalls beim westliche Publikum verfangen, aber außerhalb der westlichen Medienblase nicht ernst genommen werden.

Auch aus der EU hieß es, man werde einen afrikanischen Plan zur Beilegung des Konflikts in der Ukraine nicht unterstützen, wenn dieser ein Einfrieren des Konflikts impliziere. Und aus der NATO war zu hören, man unterstütze die afrikanischen Bemühungen, bezeichnete die Ukraine jedoch als „Opfer einer Aggression“ und forderte die Afrikaner auf, das nicht zu vergessen.

All das zeigt vor allem, dass der Graben zwischen Afrika und dem Westen ist weitaus tiefer ist, als man sich dessen im Westen anscheinend bewusst ist. Und – ich sagte es schon – es zeigt auch, dass sich an der kolonialen Arroganz des Westens gegenüber Afrika nichts geändert hat.

 

 

Anmerkungen:

 

Man kann nicht sagen, dass die afrikanische Friedensinitiative von den westlichen Medien völlig ignoriert wurde. So schrieb die Tagesschau:


https://www.tagesschau.de/ausland/europa/ukraine-putin-afrika-100.html
unter der Überschrift: Afrikanische Delegation bei Putin "Dieser Krieg muss enden"
Stand: 17.06.2023 20:02 Uhr:

"Dieser Krieg muss enden", forderte Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa bei dem Treffen. [mit Putin] "Er muss durch Verhandlungen und mit diplomatischen Mitteln beigelegt werden."

 

und


https://www.tagesschau.de/newsticker/liveblog-ukraine-sonntag-312.html
unter der Überschrift: ++ Stoltenberg warnt vor Scheinfrieden ++
Stand: 18.06.2023 10:52 Uhr

Laut NATO-Generalsekretär Stoltenberg kann ein dauerhafter Frieden mit Russland nur zu den von der Ukraine definierten Bedingungen bestehen. [also nur mit einer bedingungslosen Kapitulation Russlands]


Ausführlicher berichtete

https://pressefreiheit.rtde.tech/russland/172948-putins-treffen-mit-afrikanischen-staats/