Flugverbot für Corona-Maßnahmen-Kritiker

von Werner Müller, 02.12.22


Einem Corona-Maßnahmen-Kritiker, der einen Privatpilotenschein hat, droht wegen seiner Kritik der Verlust seiner Lizenz. Nach § 7 Abs. 1a LuftSiG gilt ein Pilot als unzuverlässig,

 

1. wenn die betroffene Person wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Freiheitsstrafe, Jugendstrafe oder Geldstrafe von mindestens 60 Tagessätzen oder mindestens zweimal zu einer geringeren Geldstrafe verurteilt worden ist, wenn seit dem Eintritt der Rechtskraft der letzten Verurteilung fünf Jahre noch nicht verstrichen sind,

2. wenn die betroffene Person wegen eines Verbrechens oder wegen sonstiger vorsätzlicher Straftaten zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, wenn seit dem Eintritt der Rechtskraft der letzten Verurteilung zehn Jahre noch nicht verstrichen sind,

3. wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die betroffene Person Bestrebungen nach § 3 Absatz 1 des Bundesverfassungsschutzgesetzes verfolgt oder unterstützt oder in den letzten zehn Jahren verfolgt oder unterstützt hat.


§ 3 Abs. 1 Nr. 1 BVerfSchG regelt:

(1) Aufgabe der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder ist die Sammlung und Auswertung von Informationen, insbesondere von sach- und personenbezogenen Auskünften, Nachrichten und Unterlagen, über

1. Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben,

 

Es stellt sich also die Frage, was eine „aggressiv-kämpferische Gleichsetzung“ von Unterdrückungs-Maßnahmen des Corona-Regimes (= Gesamtheit der Maßnahmen, mit der eine Ausbreitung des Covid-19-Virus verhindert werden sollte) mit einzelnen Unterdrückungsmaßnahmen des NS-Regimes sein soll, und warum dies eine „Bestrebung, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung“ ist, wo die Kritik an der Unterdrückung doch gerade eine Missbilligung des NS-Regimes zum Gegenstand hatte.

Würde jemand Verkehrsschilder als Nazi-Methoden bezeichnen, würde er auf Unverständnis treffen. Objektiv hätte er aber Recht, denn die erste Straßenverkehrsordnung (StVO) wurde in Deutschland 1934 eingeführt, und die StVO von 1937 blieb bis 1971 in Kraft. Ein Vergleich zwischen der Nazi-StVO und der BRD-StVO würde viele Ähnlichkeiten feststellen. Wäre das eine Gleichsetzung der BRD mit dem Nazi-Regime?

Der Verfasser, nicht der Hobby-Pilot, stellte im November 2021 aus seiner Website https://www.prof-mueller.net/ folgende Frage:


Diese Frage war eine Feststellung, dass eine punktuelle Unterdrückungsmaßnahme des Corona-Regimes eine starke Ähnlichkeit mit einer in einem völlig anderen Zusammenhang erlassene Unterdrückungsmaßnahme des Nazi-Regimes aufweist.

Der Verfassungsschutz rechtfertigte seine neue Tätigkeit mit den Worten „... Delegitimierung erfolgt meist ... über eine ständige Agitation gegen und Verächtlichmachung von demokratisch legitimierten Repräsentantinnen und Repräsentanten sowie Institutionen des Staates und ihrer Entscheidungen. Hierdurch kann das Vertrauen in das staatliche System insgesamt erschüttert und dessen Funktionsfähigkeit beeinträchtigt werden.“  (BMI, Verfassungsschutzbericht 2021, S. 112)

Diese Formulierung hatte erschreckende Ähnlichkeiten mit einem Gesetz von 1934; diese Feststellung dürfte wohl auch schon als „verfassungsschutzrelevanten Delegitimierung des Staates“ angesehen:  

§ 2. (1) Wer öffentlich .. hetzerische ... Äußerungen über leitende Persönlichkeiten des Staates ..., über ihre Anordnungen oder die von ihnen geschaffenen Einrichtungen macht, die geeignet sind, das Vertrauen des Volkes zur politischen Führung zu untergraben, wird mit Gefängnis bestraft. („Gesetz gegen heimtückische Angriffe auf Staat und Partei und zum Schutz der Parteiuniformen vom 20. Dezember  1934“ - http://www.verfassungen.de/de33-45/partei34.htm)


Am 17.02.22 antwortete das Innenministerium auf die ersten beiden Fragen einer Kleinen Anfrage der AfD-Fraktion zur Ausweitung der Tätigkeit des Verfassungsschutzes (https://dserver.bundestag.de/btd/20/007/2000774.pdf):

Fragen:

1. Wie definiert die Bundesregierung den Begriff der „Delegitimierung des Staates“ (vgl. Vorbemerkung der Fragesteller)?

2. Wie grenzt die Bundesregierung die legitime – auch harte – Kritik an Regierungshandeln oder an Regierungsmitgliedern von einer sog. Delegitimierung des Staates ab?


Die Fragen 1 und 2 werden im Zusammenhang beantwortet.

Der Begriff der „verfassungsschutzrelevanten Delegitimierung des Staates“ bezeichnet phänomenologisch eine neue Fallgruppe extremistischer Bestrebungen, die unter der herkömmlichen Klassifizierung – etwa in Rechtsextremismus oder Linksextremismus – nicht adäquat zuordenbar ist. In dieser Bezeichnung kommt die Abgrenzung zur – auch harten – Kritik an Regierungshandeln oder -mitgliedern durch das qualifizierende Adjektiv „verfassungsschutz-relevant“ zum Ausdruck. Die damit bezeichnete Schwelle orientiert sich an der Rechtsprechung von Bundesverwaltungsgericht (BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 2020 – 6 C 11/18 – Juris-Rn. 51, unter Bezug u. a. auf BVerwGE 83, 158/170) und Bundesverfassungsgericht (vgl. zuletzt BVerfGE 144, 20 – Rn. 546, 549, 768 ff., 804 f.).

Phänomenologisch werden damit solche Bestrebungen erfasst, die durch die systematische Verunglimpfung und Verächtlichmachung des auf der freiheitlichen demokratischen Grundordnung basierenden Staates und seiner Institutionen bzw. Repräsentanten geeignet sind, das Vertrauen der Bevölkerung in diese Grundordnung zu erschüttern. Von sachbezogener – auch polemischer – Kritik unterscheidet sich dies gerade dadurch, dass unter Außerachtlassung jeder Bemühung um Augenmaß an die Stelle des kritischen Urteils eine Darstellung tritt, die im einzelnen kritikwürdige Zustände bewusst entstellt, begleitet von einer Diffamierung der Einrichtungen des Staates und seiner Repräsentanten, so dass der Eindruck entstehen muss, diese allenthalben bestehenden „Missstände“ hätten letztlich ihre Ursache in der Grundordnung selbst, am Maßstab praktischer Bewährung gemessen sei sie also untauglich. Dadurch wird ein Klima geschaffen, in dem - letztlich womöglich sogar auf Gewaltanwendung zielende - Neigungen gedeihen, diese Grundordnung als in ihren Auswirkungen „unerträglich“ zu beseitigen.

Lt. BMI müssen also 4 Faktoren zusammentreffen:

„unter Außerachtlassung jeder Bemühung um Augenmaß“  
Polemische oder ironische Kritik muss immer überspitzen. Aus der Sicht der kritisierten Politiker muss dieses Merkmal stets erfüllt sein.

„an die Stelle des kritischen Urteils eine Darstellung tritt, die im einzelnen kritikwürdige Zustände bewusst entstellt,“
Wer entscheidet, was eine polemische Überspitzung, und was eine bewusste Entstellung ist?

„begleitet von einer Diffamierung der Einrichtungen des Staates und seiner Repräsentanten,“
Jeder kritisierte Repräsentant einer Einrichtung des Staates fühlt sich durch Kritik diffamiert.

„so dass der Eindruck entstehen muss, diese allenthalben bestehenden „Missstände“ hätten letztlich ihre Ursache in der Grundordnung selbst,“
Wer entscheidet, welcher Eindruck bei den Empfängern der Kritik entstehen muss?

 

Wenn wie vom Verfasser auf https://www.prof-mueller.net/politik-1/ sowie auf der Unbterseite „Demokratie“  kritisiert wird, dass die Gewaltenteilung nicht funktioniert, weil nicht - wie in Art. 20 Abs. 3 GG vorgesehen - die Regierung den Anweisungen des Parlaments folgt und damit das Parlament die Regierung kontrolliert, sondern dass die Regierung über die Regierungsparteien und die Fraktionen die Abgeordneten und damit das Parlament kontrolliert und dieses den Anweisungen der Regierung folgt, bestreitet in seinem gegenwärtigen Zustand die Funktionsfähigkeit des Parlaments. Die Absicht des Kritikers ist erkennbar, ein anderes Parlament mit anderen Abgeordneten zu fordern, die ihre Aufgabe der Kontrolle der Regierung erfüllen und den verfassungsmäßigen Anspruch der Gewaltenteilung einlösen. Natürlich kann bei einem Leser der Kritik auch der Eindruck entstehen, das habe noch nie funktioniert und der Parlamentarismus könne deshalb systembedingt sowieso nicht funktionieren. Ein Kritiker kann die Wirkung seiner Kritik niemals kontrollieren. Die Forderung der Bundesregierung würde in Ihrer letzten Konsequenz bedeuten, dass Regierungskritik grundsätzlich zu unterbleiben habe.  

Für einen egozentrischen Politiker, der seine Maßnahmen für alternativlos und Kritik daran für falsch hält, muss eine Feststellung von starken Ähnlichkeiten mit Maßnahmen des Nazi-Regimes eine Verharmlosung des Nationalsozialismus darstellen, denn wenn seine Maßnahmen richtig sind (davon ist der egozentrische Politiker überzeugt) müssten ja auch die Maßnahmen des Nazi-Regimes richtig gewesen sein.

Dagegen geht sein Kritiker davon aus, das die Verwerflichkeit des Nationalsozialismus nicht mehr in Frage gestellt wird. Aus seiner Feststellung der starken Ähnlichkeit von Maßnahmen des Corona-Regimes mit Maßnahmen des Nazi-Regimes folgt für ihn eine Verwerflichkeit der Corona-Maßnahmen. Politiker und Regime-Kritiker reden also erkennbar aneinander vorbei.

Mit der schwammigen Antwort des Innenministeriums auf die Kleine Anfrage wurde die Tür zu einer willkürlichen Verfolgung von Regierungskritikern geöffnet, die die Funktionsfähigkeit der freiheitlich demokratischen Grundordnung wiederherstellen, statt sie beseitigen wollen. Das Schreiben der Gemeinsamen Oberen Luftsicherheitsbehörde Berlin-Brandenburg zeigt, dass diese Botschaft in der Bürokratie angekommen ist.

So wie das Gesetz von 1934 das Vertrauen des Volkes in die politische Führung des Staates schützen wollte, so will der Verfassungsschutz nach eigener Aussage das Vertrauen in die Repräsentanten des Staates schützen. Zu einer funktionierenden Demokratie gehört aber ein gesundes Misstrauen der Bürger gegenüber der Staatsführung. Diese Funktionsfähigkeit zu schützen, hält das Innenministerium aber nicht für eine Aufgabe des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Die Regime-Kritiker sind also die wirklichen Verfassungsschützer, weil sie das gesunde Misstrauen des Volkes in ihre Führung stärken wollen. Die Verfassungsschutzämter schützen dagegen die Regierung gegen das Volk.