Steckt hinter dem seltsamen Putschversuch eine Erdogan-Strategie?


Am 07.12.22 haben die Sicherheitskräfte der BRD nach offizieller Darstellung einen gewaltsamen Umsturz der verfassungsmäßigen Ordnung verhindert. Die Bedrohung ging danach von einer Art „Grauen Armee Fraktion“ aus, von denen einige Mitglieder wohl schon Schwierigkeiten gehabt hätten, ein Maschinengewehr auf ihrem Rollator zu montieren. Von ein paar pensionierten Offizieren der Bundeswehr und der NVA abgesehen dürfte wohl auch niemand von den Verschwörern in der Lage gewesen sein, es zu bedienen. Und bei der angeblich geplanten Erstürmung des Reichstags wären sie damit sofort an der Sicherheitskontrolle aufgehalten worden. Die „Rote Armee Fraktion“ hatte in den 70er Jahren noch eine militärische Ausbildung von der PLO erhalten, und ihre Mitglieder waren deutlich jünger.

Ein völlig unbekannter thüringischer Prinz „Heinrich XIII“ hätte angeblich die Regierung übernehmen wollen, und es seien schon Ministerposten verteilt worden. Aber mach das nicht jede Opposition? Ist die Nominierung eines Kanzlerkandidaten dann ein Putschversuch? Wenn irgendetwas die Bezeichnung als Verschwörungstheorie verdient hätte, dann die Geschichte, die den Deutschen am 07.12.22 als Umsturzversuch verkauft werden sollte.

In Wirklichkeit könnte vielleicht bei einigen verbitterten alten Leuten in Internet-Chats die Phantasie durchgegangen sein. Der Verfassungsschutz kann nicht so dumm gewesen sein, dies ernst zu nehmen. Wahrscheinlicher ist die Vermutung, dass diese verbitterten alten Leute instrumentalisiert werden sollen. Hat der Verfassungsschutz vielleicht einen Agent Provocateur in die Gruppe eingeschleust? Seine Rolle beim NSU ist noch immer nicht aufgeklärt, und das erste Verbotsverfahren gegen die NPD ist wegen der V-Leute im Parteivorstand gescheitert! Es bleibt zu hoffen, dass es noch einen Rest von unabhängiger Justiz gibt, die die wahrscheinlich sehr dürftigen Beweise objektiv würdigt. Nach 2,5 Jahren Corona-Regime sind aber Zweifel daran angebracht.

Natürlich gab es auch Beispiele für reale unrealistische Putschversuche. Nach dem Putschversuch gegen Michael Gorbatschow vom 19.08.1991 gab KGB-Chef Krjutschkow zu Protokoll, dass alle Verschwörer bei der Ausarbeitung ihres Planes betrunken gewesen sein sollen. Auch der spanische Polizeioberst Tejero hätte am 23.02.1981 wissen müssen, dass sich der König als Oberbefehlshaber der Armee hinter die gewählte Regierung stellen würde und die Besetzung des Parlaments nicht der Auslöser für einen Militärputsch werden würde. In diesen Fällen hatten die Putschisten aber militärische Befehlsgewalt. Die Reichsbürger-Chatgruppe wusste, dass sie die nicht hatte. Kein normaldenkender Mensch kann sich vorstellen, dass es konkrete und durchführbare Umsturzpläne gegeben haben kann.  

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Wenn man nach Ähnlichkeiten bei realen Umsturzversuchen sucht, dann könnte man Ähnlichkeiten mit den undurchsichtigen Vorgängen vom 16.07.2016 in der Türkei erkennen. Dieser behauptete Putschversuch hatte keinen Anführer in der Türkei. Die türkische Regierung behauptete nach seiner Niederschlagung, der in den USA lebende Islamist Fethullah Gülen sei der Urheber gewesen. Es folgten eine Verfolgung der Anhänger der Gülen-Bewegung und Säuberungen in Militär und Staatsdienst. Ob die verurteilten Putschisten wirklich mit dem Umsturzversuch zu tun hatten, kann bezweifelt werden. Ihre Prozesse genügten mindestens nicht den Anforderungen des Art. 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention. Die Schlussfolgerung, der Putschversuch sei inszeniert gewesen, um einen Vorwand für die Verfolgung der Gülen-Bewegung zu bekommen, wäre natürlich eine Verschwörungstheorie.


Es fällt beim behaupteten Reichsbürger-Putsch aber auf, dass die Medien sehr schnell mit sehr genauen Informationen über die Razzien berichtet haben. Die Texte müssen schon in der Nacht vor dem Einsatz oder früher verfasst worden sein, und die Polizei wurde bereits von Kamerateams vor den Häusern der Verschwörer erwartet. Bei einer echten Bedrohungslage hätten die Sicherheitsbehörden eine Nachrichtensperre verhängt. Man stelle sich vor, die Polizei hätte 1977 das Versteck von Hans-Martin Schleyer rechtzeitig entdeckt und vor der Erstürmung der konspirativen Wohnung der RAF das Fernsehen von der geplanten Aktion informiert. Ist das Ganze nur eine Inszenierung für die Medien? Die haben schon vor 2,5 Jahren aufgehört, die offiziellen Verlautbarungen zu hinterfragen.

Es fällt an der Medieninszenierung auf, dass „Reichsbürger, Querdenker und Verschwörungs-theoretiker“ in einem Atemzug genannt wurden. Man schlägt den Sack, und meint den Esel! Die Reichsbürger lassen sich leicht isolieren, und der Rest der Regierungskritiker soll mit ihnen in einen Topf geworfen werden.  

Am 07.11.1962 sprach Konrad Adenauer im Bundestag im Zusammenhang mit der Berichterstattung des „Spiegel“ (=> Spiegel-Affäre) von einem „Abgrund von Landesverrat“. Am 07.12.2022 sprach die Innenministerium Nancy Faeser im Zusammenhang mit dem behaupteten Putsch-Versuch von Reichsbürgern von einem „Abgrund terroristischer Bedrohung“ - die Ähnlichkeit der Formulierung spricht Bände. Damals wie heute fühlt sich die Regierung von abweichenden Meinungen bedroht, und die behaupteten Straftaten werden sich in Luft auflösen. Aber es soll etwas hängenbleiben.

Die Reichsbürger berufen sich auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 31.07.1973 zum Grundlagenvertrag zwischen der BRD und der DDR, das im Orientierungssatz 1 feststellte: „Es wird daran festgehalten …, dass das Deutsche Reich den Zusammenbruch 1945 überdauert hat und weder mit der Kapitulation noch durch die Ausübung fremder Staatsgewalt in Deutschland durch die Alliierten noch später untergegangen ist …“ Diese Ansicht hat Karl-Eduard von Schnitzler im DDR-Fernsehen schon vor ca. 50 Jahren als Unsinn bezeichnet, heute schließen sich die Politiker dieser Meinung an, ohne dabei das BVerfG als den Urheber dieses Unsinns zu erwähnen. Mit den verbitterten alten Leuten, die am 07.12.22 wegen ihrer angeblichen Umsturzpläne festgenommen wurden, sollen auch alle anderen Regierungskritiker getroffen werden. Es soll offenbar die Erdogan-Strategie angewendet werden; ob der Putschversuch von 2016 inszeniert oder echt war, kann dahingestellt bleiben. Die Inszenierung des Verfassungsschutzes ist aber jeden Fall so lächerlich, dass die Absicht dahinter offensichtlich ist.  

Es stellt sich jetzt langsam heraus, dass die sog. Verschwörungstheoretiker vor 2,5 Jahren mit ihrer Einschätzung zu Corona und vor 2 Jahren mit ihrer Bewertung der als Impfstoff bezeichneten Gentechnik-Präparate Recht hatten. Es soll verhindert werden, dass jetzt ein großer Teil der Bevölkerung beginnt, diesen Medizinern und Wissenschaftlern zu glauben und der Politik unbequeme Frage zu stellen. Es wäre deshalb für die Regierungskritiker falsch, jetzt über dieses Stöckchen zu springen und sich übereilt zu distanzieren. Die Meinungsfreiheit beinhaltet auch das Recht, Unsinn für richtig zu halten. Es geht darum, die Meinungsfreiheit zu verteidigen, nicht jeden Unsinn, der als Meinung vertreten wird. Auch die Meinung des BVerfG vom 31.07.1973 darf vertreten werden.

Wenn es jetzt um die Verhinderung einer Erdogan-Strategie in Deutschland geht, dann darf sich die Opposition nicht spalten lassen. Die Corona-Politik war mit einer bisher nie gekannten Unterdrückung abweichender Meinungen verbunden. Selbst zuvor anerkannte Wissenschaftler wurden als Covidioten und Verschörungstheoretiker diffamiert. Mit vielen ihrer Aussagen haben sie Recht behalten. Es hat sich auch ein nicht unwesentlicher Widerstand gegen die Politik herausgebildet.

Die Politik wiederholt jetzt beim Ukraine-Krieg und beim Klima-Thema ihre Strategie, abweichende Einschätzungen und Meinungen nicht sichtbar werden zu lassen und eine ergebnisoffene Diskussion zu unterdrücken. Weitere Wellen dieser Art werden folgen. Es kommt deshalb darauf an, die in der Corona-Zeit gewachsene Struktur freier Medien zu erhalten und bei allen Themen, bei denen die Politiker ein Informations- und Meinungsmonopol für sich beanspruchen, den abweichenden Informationen und Meinungen einen Raum zu schaffen. Mit der jetzigen Erdogan-Strategie soll genau diese Struktur getroffen werden.


Siehe auch:
https://reitschuster.de/post/gewaltsame-umsturzfantasien-was-steckt-hinter-razzien/